Christmette 2014
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Die katholische Predigtsammlung von Pfarrer Poschenrieder
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Christmette 2014 B

Messtexte | Word-Dokument

Es war ein großes dunkles und unheimliches Gewölbe, der Keller des Hauses, zu dem man große Treppenstufen hinabsteigen musste. Ein kleiner Junge stand unten, in diesem dunklen unheimlichen Gewölbe, und er weinte herzzerreißend. Er hatte Getränke holen sollen und oben an der Treppe hatte er vergessen, den Lichtschalter für den unteren Bereich einzuschalten. Jetzt stand er unten, mitten im Keller, und weinte. Er hatte Angst. Denn es war unheimlich, und es war dunkel.

Plötzlich öffnete sich ganz oben an der Treppe die Tür, und der Vater erschien auf der obersten Stufe. "Du dummer Junge", rief er nach unten. "Mach doch das Licht an!" Und er selbst schaltete das Licht an. 

Sofort wurde es hell, doch der Junge stand immer noch da und weinte.

Nein, er hatte jetzt keine Angst mehr, weil es zu dunkel war, sondern er hatte Angst, weil er allein war. Es war zwar jetzt in diesem riesigen, unterirdischen Kellergewölbe ganz hell, aber unser kleiner Junge stand immer noch da und war mutterseelenallein.

Wenn doch der Vater nur selber die Treppe herabgestiegen wäre, den Kleinen in die Arme genommen hätte und ihn fest an sich gedrückt hätte, dann hätte es sogar dunkel bleiben können, und der Junge hätte trotzdem aufgehört zu weinen.

Unser Vater im Himmel wusste das. Darum er hat nicht nur einfach das Licht angemacht. Er hat nicht nur einen Stern geschickt, der die Nacht erhellt, sondern er ist selbst in den Keller herabgestiegen. Dadurch dass er auf die Erde gekommen ist, hat er uns nicht nur Licht gemacht, sondern er selbst leuchtete. „Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht.“ Christus ist das Licht.

Doch wenn das Licht nicht selbst gekommen wäre, wäre alles trostlos geblieben. Wenn wir nur den Stern gesehen hätten und nicht auch das Kind, würden wir weiterhin wie der kleine Junge im Keller weinend stehen, weil wir allein sind.

Wem einmal die Gottferne so richtig bewusst geworden ist, dem hilft das Licht allein nicht unbedingt weiter. Wer sich, wie die Menschen in der Dunkelheit so lange befunden hat, dem kann es passieren, dass er momentan im Licht auch den Weg nicht findet. Zuerst braucht es jemand, der einen in die Arme schließt, dessen Nähe wir spüren, der uns liebt, der mit uns geht, der uns den Weg zeigt, zu dem wir vertrauen haben, und der uns vielleicht sogar auf dem richtigen Weg trägt.

Gott hat es nicht gemacht, wie jener Vater mit dem kleinen Jungen im Keller. Er hat nicht nur das Licht angeschaltet und uns ansonsten alleine gelassen. Gott ist zuerst hinabgestiegen. Er ist die große Treppe selber heruntergestiegen. Er ist hineingestiegen in die Dunkelheit dieser Welt, damit er uns in die Arme schließen kann, damit er uns ganz nahe sein kann, damit wir seine Nähe spüren und nicht allein sind.

Gott weiß wie ein guter Vater und eine liebende Mutter, dass es manchmal wenig hilft, einfach nur das Licht anzuknipsen. Gott weiß, dass es viel wichtiger ist, das weinende Kind in die Arme zu nehmen und ganz fest an sich zu drücken, damit es sich nicht mehr fürchtet.

Das hellste Licht kann also völlig kalt sein, wenn es uns nicht den Weg zeigt. Durch den menschgewordenen Sohn Gottes aber wird unsere Welt wirklich hell, und er zeigt uns den Weg. Er selbst ist das Licht, denn die Menschwerdung Gottes war das große Zeichen seiner Liebe, die uns anspornt, ebenfalls die Liebe zu leben und Liebe einander zu schenken.

Und er hat sich klein gemacht. Er ist selbst ein Kind geworden, das bei seinen Eltern diese Geborgenheit brauchte, das selbst in die Arme genommen werden wollte und das selbst getröstet werden wollte. Dieses kleine hilfsbedürftige Kind ist unser Retter, ist das Licht. Dieses Kind ist der allmächtige Gott selbst, der Sohn Gottes, der herabgestiegen ist, um uns zu leuchten, um uns den Weg zu zeigen, um uns aus der Finsternis ins Licht zu bringen.

Das ist Weihnachtsbotschaft, die ich ihnen heute verkünden darf. Sie lautet: Gott machte unsere Finsternis hell, indem er in die Finsternis herabstieg, um selbst zu leuchten, damit für uns selbst die Finsternis nicht mehr dunkel ist. Amen.

(teilw. von Jörg Sieger übernommen)


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