6. Sonntag im Jahreskreis A 2014
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6. Sonntag im Jahreskreis 2014 A

Messtexte | Word-Dokument

Wenn manche Menschen an das AT denken, dann fällt ihnen nichts Gutes ein. Nicht nur die vielen Kriege, auch das Gesetz von damals war nicht gerade zimperlich. Übeltäter sollen umgebracht werden. Ehebrecher sollen gesteinigt werden. Es galt das Prinzip Aug um Aug, Zahn um Zahn. Wie du mir, so ich dir. Wir sagen hier mit Recht: Gott sei Dank haben wir diese dunklen Zeiten überwunden.

Jesus brachte uns das neue, befreiende Evangelium. „Leistet dem, der euch Böses tut, keinen Widerstand.“ „Schlägt euch jemand auf die rechte Wange, halte auch die linke hin.“ „Liebt eure Feinde.“ „Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn werdet ihr haben. Tun das Gleiche nicht auch die Zöllner?“

Doch heute hörten wir Worte von Jesus, die in eine andere Richtung gehen: „Ich bin nicht gekommen aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“ Diesmal wird uns anscheinend nicht der liebliche, „übernette“ Jesus präsentiert, den manche aus ihm machen möchten: Einer, der niemanden etwas zu leide tut, der keinem weh tut. Heute spricht Jesus ganz klare Worte. Er geht aufs Ganze. Es geht um die radikale Nachfolge. Es geht ihm nicht nur um die schweren Sünden, sondern es geht ihm um die Heiligkeit, um die Vollkommenheit.

Nicht nur einen umbringen, einen töten, ist Sünde, auch das Zürnen. Auch der Zorn schon ist schlecht und sündhaft und zieht seine Strafe nach sich. Wenn man sagt: „Du Dummkopf! Du gottloser Narr!“, hat das entsprechende Folgen. Wie schnell nun sind wir mit ähnlichen Worten dabei. Welche Sprache sprechen wir? Welche Sprache sprechen schon unsere Kinder? Woher haben sie das?

Nicht nur Ehebruch ist Sünde, auch in Gedanken kann man Ehebruch begehen. Wie viele geistige Ehebrüche geschehen heute vor dem Fernseher und dem Internet, wenn ich den Phantasien freien Lauf lasse.

Nicht nur keinen Meineid sollen wir schwören, sondern unser Ja sei ein Ja und das Nein ein Nein. Die Lüge soll ein Fremdwort sein.

Was fordert Jesus: Das Auge rausreißen! Die Hand weghauen! Das sind natürlich Bildworte. Jesus meine damit, dass wir radikal anpacken sollen. „Die Lauen spucke ich aus.“ (vgl. Offb. 3,16) Das ist doch am Christentum gerade anziehend. Wie haben das doch die ersten Christen oft gelebt: die richtige liebende Radikalität.

„Ich bin nicht gekommen aufzuheben, sondern zu erfüllen.“ Aber hat nicht Jesus selbst sich gegenüber verschiedenen Vorschriften hinweggesetzt? Scheint es nicht so, dass Jesus das Gesetz und die Propheten auflöst, wenn er sich nicht an die levitischen Reinheitsgesetze hält? Er scheint die Ordnungen Gottes zu übertreten, aber in Wahrheit erfüllt er sie. Er erfüllt sie, weil er ihren eigentlichen Sinn und den ursprünglichen Willen Gottes neu zum Leuchten bringt. Es gilt nicht mehr äußere Gesetzesgerechtigkeit, sondern die innere Annahme dessen, was Gott mit dem Gesetz will. So ist das Neue, das er bringt, nicht das völlig andere, sondern die Vollendung des Alten. Gesetz und Propheten waren vorläufig. In Jesus Christus ist das Neue in Erfüllung gegangen. Oft aber bleiben wir noch im Alten stecken: Jemand spricht z.B. abfällig über mich: Ich schaue ihn deswegen nicht mehr an. Ist das nicht das Prinzip „Aug um Aug“? Wenn ihr nur die grüßt, die euch grüßen, welchen Lohn …?

Jesus erfüllte also das Gesetz und die Propheten. „Ich bin nicht gekommen um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein.“ Wir dürfen nicht vom kleinsten Buchstaben von der Weisung Christi abweichen.

„Lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe.“ Das ist ein Auftrag besonders an uns Priester. Immer wieder muss ich mich selber fragen und auch korrigieren. Predige ich auch alles gemäß dem Auftrag des Herrn? Kommen heute manche ernste, „harte“ Wahrheiten bei der Verkündigung zu kurz, werden sie ausgelassen und verschwiegen?

Vielleicht gehört auch die Bergpredigt zu diesen harten Lehren Jesu. „Wenn deine Hand, dein Fuß, dein Auge zum Ärgernis wird, reiß es aus.“ „Ich aber sage euch: …“

„Wer die Gebote aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.“ Das ist das Entscheidende. Das Tun ist wichtig. Wer als Priester, Verkünder, Lehrer der Gläubigen berufen ist, muss selber die Gebote halten, muss es selber zuerst tun, sonst wirkt er nicht nur unglaubwürdig, sondern es kann sogar das Gegenteil eintreten. Seine Verkündigung war nicht nur umsonst, sondern sogar destruktiv.

Beten Sie, liebe Gläubige, auch für die Priester, dass sie die ganz Wahrheit treu und glaubwürdig verkünden, ob gelegen oder ungelegen, und besonders selber auch danach handeln. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024