2. Sonntag im Jahreskreis A 2014
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2. Sonntag im Jahreskreis 2014 A

Messtexte | Word-Dokument

Jeder von uns hat an einer Hand einen Zeigefinger! Er ist wahrscheinlich neben dem Daumen der wichtigste Finger. Der Name drückt bereits aus, was wir damit tun. Wir zeigen oft auf Menschen. Wir deuten auf etwas hin. Kinder in der Schule melden sich mit dem Zeigefinger. Erwachsene verwenden ihn manchmal zum Ermahnen. „Mach das ja nicht mehr, sonst passiert was!“

Wir zeigen gerne auf andere und schieben die Schuld auf den Nächsten. „Der da war es.“ Oder: „Hast du schon gesehen, was der gemacht hat?“ Der Spruch „Man zeigt nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute.“ soll uns daran erinnern, dass wir dabei aufpassen müssen. Manchmal lenken wir damit von unseren eigenen Fehlern ab. Wenn wir auf andere mit dem Zeigefinger zeigen, ist das genauso schlecht wie das Nasebohren.

Warum spreche ich vom Zeigefinger? Wenn ich das heutige Evangelium höre, dann fällt mir immer das berühmte Bild ein vom Isenheimer Altar. Matthias Grünewald hat hier den Johannes den Täufer mit langem Zeigefinger gezeichnet, mir dem er auf Jesus am Kreuz hindeutet. Es ist eigenartig. Johannes der Täufer ist ja zur Zeit der Kreuzigung Jesu schon lange gestorben, aber seine Aufgabe war es, durch sein Leben auf Jesus zu zeigen, auf ihn hinzuweisen.

Er tat das am Jordan, als er sagte: Seht das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt. Dieser Satz wurde sogar in die hl. Messe aufgenommen. Vor der Kommunion zeigt der Priester Jesus den Leuten in der heiligen Hostie und spricht: Seht das Lamm Gottes, …

Jesus nimmt die Sünden weg. Sünden sind wie Müll, wie Abfall, der beseitigt gehört. Jesus nimmt den Sündenmüll weg. Wir überlegen immer wieder, wie gefährlicher Müll entsorgt werden kann. In Eisenbahnwaggons wird er irgendwohin gefahren. Oft ist es auch Gift, gefährliche Gase, Elemente, die für den Menschen ungesund sind. Jesus nimmt das alles weg. Er entgiftet damit die Welt, den Menschen. Er reinigt seine Seele.

„Seht das Lamm Gottes!“ Das Lamm ist auch eine interessante Formulierung! Jesus ist doch kein Lamm und doch wird er immer wieder damit dargestellt. Ein Lamm ist unschuldig und tut niemand etwas zu leide. Wir werden erinnert an das Paschalamm, das geschlachtet wurde, bevor die Israeliten aus Ägypten auszogen. Es musste sterben, damit die Israeliten in die Freiheit ziehen konnten. Jesus musste auch sterben, damit wir frei sind. Er starb am Kreuz, damit wir die Freiheit von der Sünde wieder geschenkt bekommen, die seit der Ursünde auf uns lastet. Nicht zufällig stirbt Jesus am Rüsttag, an dem die Lämmer im Tempel geschlachtet wurden.

Und ein letzter Gedanke, warum Jesus als Lamm bezeichnet wird: Bei den Juden gab es diesen eigenartigen Brauch, dass am großen Versöhnungstag der Hohepriester die Sünden des Volkes symbolisch auf einen Ziegenbock geladen werden. Die Menschen haben ihre Sünden und Fehler auf kleine Täfelchen geschrieben und einem Ziegenbock umgehängt. Dann hat man das Tier in die Wüste gejagt. Man glaubte, dass dadurch die Sünden hinweggenommen würden. Es soll das passieren, was bei jeder Beichte geschieht. Auch wenn es den damaligen Brauch nicht mehr gibt, kennen wir noch das Wort „Sündenbock“. Wir suchen oft jemanden, der an allem schuld ist. Die Schuld wird abgeschoben, oft auf einen Unschuldigen.

Bei Jesus ist es so. Er ist der Sündenbock. Er wird nicht in die Wüste gejagt, sondern er kommt von der Wüste, wo er 40 Tage fastete, zu uns Menschen. Er nahm alle Schuld unschuldig auf sich, um uns von unserer Schuld zu erlösen, damit wir von unseren Sünden geheilt und gereinigt werden. Er ist wirklich das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt. Wer ihn in der heiligen Kommunion aufnimmt, kann heute beten: Herr, nimm auch von mir alle Schuld. Reinige auch mich, damit ich frei bin von all dieser Last, vom Sündenmüll. Nur du kannst das! Nur du hast dich Macht, mir diese Reinheit zu schenken. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024