Hochfest der Unbefleckten Empfängnis 2013
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Hochfest der Unbefleckten Empfängnis 2013 A

Messtexte | Word-Dokument

Das Theologiestudium begann bei mir damals mit 2 Jahren Philosophie und in dieser Zeit haben wir die vielen verschiedenen Philosophen kennengelernt. Unter anderem wurden wir mit dem griechischen Denker und Philosophen der Antike Diogenes konfrontiert (geb. ungefähr 400 v. Chr.). Er war ein ganz eigenartiger Kauz und lebte in einem Fass. So manche Philosophen lebten bewusst anders und auffällig. Er wollte in völliger Armut leben, und er wollte „ganz Mensch sein“ und suchte dafür nach einem Vorbild. Er suchte nach einem vollkommenen Menschen. Eines Tages, am hellen Mittag, machte er sich in der Hauptstadt Griechenlands, in Athen, aus seinem Fass heraus auf den Weg mit einer brennenden Laterne in der Hand. Er ging über die Straßen und Marktplätze Athens und suchte etwas. Die Leute lachten und fragten, was er denn heute, am helllichten Tag, mit seiner Laterne suche. Und die Antwort des alten Diogenes war: „Ich suche einen Menschen! Einen Menschen suche ich.“ – „Ja, da sind doch genug Menschen. Sind wir denn keine Menschen?“ Und Diogenes darauf: „Ich suche einen Menschen, der ganz in Ordnung ist!“

Wenn er das Christentum kennengelernt hätte, dann hätte er wahrscheinlich ausrufen können: Da ist so ein Mensch. Ich habe ihn gefunden. Einen Menschen ohne Makel! In Maria ist uns dieser Mensch vor Augen gestellt, was Gott mit jedem Menschen an Großem und Herrlichem in seinem Schöpfungsplan vorgehabt hat und leider aber durch den Sündenfall zerstört wurde.

Maria ist wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erlöst gleich am Anfang, im ersten Augenblick ihres Lebens, ihrer Unbefleckten Empfängnis. Und das ist ein Beispiel für das, was Gott mit uns allen vorhatte und noch vorhat. Schauen wir hinein in unsere Gesellschaft! Wir regen uns auf über die Umweltverschmutzung – mit Recht! Was aber ist mit der seelischen inneren Verschmutzung? Regen wir uns auch auf über den Missbrauch der Frau in der Werbung, in den Filmen? Müssten sich heute nicht katholische Menschen, nicht nur katholische Frauen schämen, wenn sie die Titelbilder mancher Illustrierten sehen? Sind wir noch ein christliches Abendland? Wir lieben den Frieden und hassen der Krieg, aber jährlich werden Tausende ungeborener Kinder brutal im Mutterschoß ermordet. Den Frauen redet man ein, ein Recht darauf zu haben, sich von ungewollter Schwangerschaft zu befreien, als ob ein Kind eine Krebsgeschwulst wäre; jeder weiß dabei, welch großen körperlichen und seelischen Schaden diese Frauen nach so einer Abtreibung davontragen. Jetzt könnte man vieles aufzählen. Es zeigt alles, wie gering der keusche und reine Mensch heute in der Gesellschaft oft dasteht. Da sagt uns die Kirche am Beispiel Mariens, welche Würde, welcher Wert, welche Schönheit in jedem Menschen ist, der sich bemüht, so zu sein und zu leben, wie Gott ihn haben möchte. Leider haben viele Menschen heute so wenig Sinn für die wahre Schönheit! Wie gut täte es uns allen, voran unserer weiblichen Jugend und unseren Frauen insgesamt, wenn sie ihr Ideal nicht in Filmstars und Schönheitsköniginnen sähen, sondern sich immer Maria zum Vorbild nehmen, dem Spiegel der Gerechtigkeit! Sich hier spiegeln, anschauen, um in diesem Spiegel entweder zu sehen: Ich habe wahre Seelenschönheit. Oder aber um in diesem Spiegel enttäuscht zu sehen: Alle äußere Schönheit ist nur da wegen meines aufwendigen „Make-up“: Die wahre, innere Schönheit und Sauberkeit fehlt.

In Maria ist wirklich die wahre innere Schönheit vollendet!

Manche könnten jetzt vielleicht denken:

Wenn wir so von Maria reden, besteht die Gefahr, dass wir aus ihr eine göttergleiche Gestalt, einen Übermenschen machen? Nein, was uns in Maria begegnet, ist ein Mensch, nur ein Mensch, aber ein Mensch, wie er nach dem Plane Gottes sein sollte.

Wie viele laufen auch irgendwie doch wie Diogenes mit der Laterne auf den großen Plätzen der Städte herum, um so einen Menschen zu finden, wie er sein sollte? Jeder sehnt sich danach. Wir möchten gern auch so einen Menschen sehen, wie er sein sollte.

In Maria begegnet uns ein solcher Mensch. Maria erinnert uns an den Menschen, wie er sein sollte: ein Mensch frei von Sünde und Schuld, im Glanz der Gnade. Das ist Maria.

Es würde sich lohnen, zu ihr wieder mehr aufzuschauen, sie zum Vorbild zu nehmen und nicht vergängliche Größen und trügerische Leitbilder!

Heute mögen wir uns am Fest ihrer unbefleckten Empfängnis, wo wir ihre Sündenlosigkeit vor Augen haben, erinnern, dass nicht der sündenhafte Mensch der gottgewollte Mensch ist, sondern erst der Mensch, der frei vor aller Schuld in seinem Herzen vor Gott steht. Amen.


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