24. Sonntag im Jahreskreis A 2011
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24. Sonntag im Jahreskreis 2011 A

Messtexte | Word-Dokument

Vor vielen Jahrzehnten wurde ein Statthalter von einem Studenten ermordet. Einige Zeit darauf saß seine Frau vor einem Schriftstück. Ihre Tränen fielen darauf nieder. Sie zitterte am ganzen Leib und doch war sie gerade dabei zu unterschreiben. »Mama, was schreibst du?« fragte der jüngste Sohn und blickte sie dabei mit großen Augen fragend an. Einen Brief an den Kaiser für einen sehr armen Mann. Sie begann wieder zu schreiben, aber die Hand will nicht so recht. Da machte sie das Kreuzzeichen, betete vor sich hin und setzte ihren Namen unter das Schriftstück. Es war ein Gnadengesuch für den verurteilten Mörder ihres Mannes, der auf den Tod wartete. Die Kraft dazu schöpfte sie aus dem Gebet.

Eine ähnliche Begebenheit ereignete sich vor über 100 Jahren. Die hl. Maria Goretti verzieh ihrem Mörder auf dem Sterbebett. Sie sagte sogar, dass sie im Himmel für seine Bekehrung bete, damit er auch in den Himmel kommt.

Im Vater unser heißt es »wie auch wir vergeben unseren Schuldigern«. Wie oft beten wir das ohne zu überlegen, was es wirklich bedeutet? In der letzten Konsequenz kann das natürlich sehr schwer werden. Aber Jesus selbst hat es uns ebenfalls vorgelebt. Er starb mit den Worten »Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Es ist nicht leicht, dies nachzuahmen.

Und doch haben es uns viele vorgelebt. Denken wir an den ersten Märtyrer der Kirche, den hl. Stephanus. Er wurde gesteinigt und verzieh seinen Mördern mit den Worten: »Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an.« Auch in der heutigen Zeit finden wir solche Vorbilder. Unser verstorbener, schon selig gesprochener Papst Johannes Paul II. hat seinem Attentäter Ali Agca verziehen und ihn im Gefängnis besucht.

Wir wollen auf diese Vorbilder schauen und sie nachahmen.

Machen wir es nicht so wie der Diener im Evangelium. Er hätte genauso wie sein König verzeihen müssen und die Schuld nachlassen müssen. Es waren nur 100 Denare. 10000 Talente, die der König ihm geschenkt hat, sind 60 Millionen Denare. Es ist dies eine so große Summe, die der erste Diener, auch wenn er sich noch so anstrengt, in seinem ganzen Leben nicht zurückzahlen hätte können. Und bei einem so riesigen Schuldenberg sagt der König: »Ich schenke dir die Schuld!« Das ist unfassbar! Aber bei Gott ist es so. Gott verzeiht Unsummen. Gott hat uns die 10000 Talente nachgelassen, indem er uns bei der heiligen Taufe die Erbschuld getilgt hat. Das wiederum war nur durch den Erlösungstod Jesu am Kreuz möglich. Und wir möchten oft nicht eine kleine Summe nachlassen. Ja, es ist noch viel mehr. Es kann mit Geld nicht ausgedrückt werden, so tief stehen wir in Gottes Schuld. Wir haben nämlich seine Gnade und sein Erbarmen nicht verdient. Wir können dies uns gar nicht verdienen.

Kinder können nie mit Geld das ausgleichen, was die Eltern für sie jahrelang getan haben. Sie können nicht wiedergutmachen, was Eltern an Zeit, an Geduld, an Kraft und Anstrengung in die Erziehung hineingesteckt haben. So ist es auch bei Gott. Und er will, dass wir, so wie die Eltern das erwarten, dankbar sind, und dass wir das, was an uns getan wurde, den eigenen Kindern weitergeben.

Der liebe Gott vergibt uns große Schuld. Auch wir sollen deshalb dem Mitmenschen vergeben und nicht nachtragend sein. Wenn jemand uns gegenüber gesündigt hat, sollen wir verzeihen können. Es macht das Zusammenleben nur unnötig schwer, wenn z. B. immer wieder alte Sachen ausgegraben werden und zum Vorwurf gemacht werden.

»Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.« Machen wir das wahr, was wir so oft im Vater unser beten. Der sittlich Stärkere ist zweifelsohne der, welcher verzeiht. Die Liebe zu Jesus Christus drängt uns zum Verzeihen. Diese Liebe wollen wir immer wieder üben. 7 und 70 mal. Immer! Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024