2. Ostersonntag A 2005
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2. Ostersonntag 2005 A

Messtexte | Word-Dokument

»Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!«

Dieser Satz klingt wie eine eindringliche Bitte. Jesus lässt sich von Thomas berühren, damit sein Zweifel verfliegt, damit der Ungläubige glauben kann.

Auch zu uns spricht Jesus diesen Satz heute. Glaube an mich und an meine Auferstehung! Ich habe den Tod besiegt. Ich lebe.

Oftmals fällt uns dieser Glaube recht schwer. Wir können uns in die Person des Thomas gut hineinversetzen, weil auch uns oft der Zweifel plagt. Wie gerne würden wir Jesus sehen und ihn sogar berühren, um leichter glauben zu können. Denn wenn wir etwas berühren können, greifen können, können wir es auch leichter begreifen.

Mit diesem Wunsch verhalten wir uns wie kleine Kinder. Kleinkinder betasten alles. Ein kleines Kind greift nach dem unbekannten Gegenstand und steckt ihn als erstes in den Mund. Da müssen die Eltern oft aufpassen, denn nicht immer ist dieser Gegenstand genießbar und geeignet, um ihn mit dem Mund zu testen. Solange es nur große Bausteine sind, die man nicht verschlucken kann, ist es nicht so schlimm. Aber wenn dann die Blumenerde gekostet wird, ist es Zeit zum Eingreifen. Kinder greifen nach etwas Fremdem, um es kennen zu lernen, um daran zu glauben, um es zu begreifen.

Wenn ich es begreifen kann, dann weiß ich: Meine Augen spielen mir keinen Streich. Es ist keine Halluzination, es ist wirklich.

So war es auch bei unserm Apostel Thomas. In seinem Kopf hämmert der Wunsch: Ich will die Wunden begreifen, die durchbohrte Seite berühren, Jesus betasten. Denn nur dann bin ich ganz sicher, dass es keine Einbildung ist, dass ich nicht durch meine Phantasie getäuscht werde. Jesus erfüllt ihm seinen Wunsch, weil seine Barmherzigkeit unendlich groß ist.

Der heutige Tag war früher und ist zum Teil heute noch der Tag der Erstkommunion. Dieser Sonntag heißt auch Weißer Sonntag. Nicht nur, weil die Mädchen mit ihren weißen Kleider zum ersten Mal die Kommunion empfangen durften, sondern weil in der Zeit der Urkirche alle, die in der Osternacht die hl. Taufe empfangen hatten, bis zum heutigen Sonntag ihre weißen Taufkleider tragen durften.

Seit kurzer Zeit nun hat er einen neuen Namen – Sonntag der Barmherzigkeit. Im Jahr 2000 hat Papst Johannes Paul II. Schwester Faustine heilig gesprochen. Dieser einfachen Ordensschwester aus Krakau, die 1938 mit 33 Jahren starb, erschien Jesus mehrmals und sprach zu ihr von seiner großen Liebe und Barmherzigkeit zu uns Menschen. Jesus wünschte, dass am 1. Sonntag nach dem Osterfest das Fest seiner göttlichen Barmherzigkeit gefeiert werde. Deshalb sagte er zu Schwester Faustine: »Künde der Welt meine große, unergründliche Barmherzigkeit. Bereite die Welt vor auf meine zweite Ankunft. Bevor ich als Richter komme, öffne ich noch ganz weit die Tore meiner Barmherzigkeit.«

Die Quelle seiner Barmherzigkeit ist seine Seitenwunde, die Thomas berühren durfte. Aus diesem Herzen fließen die Gnaden, die Sakramente. Aus seinem durchbohrten Herzen floss Blut und Wasser. Sein kostbares Blut, dass er bei jeder hl. Messe für uns wieder vergießt. Das Wasser, das uns bei der Taufe die heilig machende Gnade schenkt.

Jesus gab Schwester Faustine außerdem den Auftrag, ein Bild vom barmherzigen Jesus zu malen, so wie sie ihn gesehen hatte. Sie sah aus seinem Herzen zwei Lichtstrahlen ausgehen, die die Welt erleuchten: Die beiden Strahlen – so erklärte ihr eines Tages Jesus selbst – symbolisieren Blut und Wasser.

Viele von Ihnen haben dieses Bild sicherlich schon gesehen. Es ist sehr bekannt und weltweit verbreitet. Auch wenn viele vielleicht nicht wissen, dass es das Bild des barmherzigen Jesus ist.

Heute also feiert die Kirche diesen Barmherzigkeitssonntag.

Mit der Erlaubnis ihn zu berühren, zeigt uns Jesus seine große Barmherzigkeit. Er gibt uns alle möglichen Hilfen, glauben zu können. Er zeigt sich den Aposteln, er isst und spricht mit ihnen, er zeigt ihnen seine Wunden und lässt sich als Höhepunkt sogar berühren.

Denken wir an die Darstellung Jesu als Guten Hirten. Auch in diesem Bild wird die Barmherzigkeit Gottes deutlich sichtbar. Der gute Hirt hat ein Herz für seine Schafe. Er sucht das verlorene Schaf solange, bis er es gefunden hat und trägt es zurück zur Herde. Der gute Hirte gibt sogar sein Leben für die Schafe. Er verteidigt die Herde gegen die Wölfe.

Diese Tage sind auch geprägt vom letzten Leidensweg und dem Tod des Heiligen Vaters. Über 26 Jahre lang wirkte Papst Johannes Paul II. als der Gute Hirte der Kirche. Am Beginn seines Pontifikates wandte er sich an alle Christen mit der Aufforderung, die Herzen weit für Christus zu öffnen. Durch unzählige apostolische Reisen wollte er den modernen Menschen, der sich heutzutage wie der ungläubige Thomas verhält, mit der Botschaft des christlichen Glaubens konfrontieren: »Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!«

Diesen Glauben an die Auferstehung pflanzte der Heilige Vater besonders in die Herzen vieler Jugendlicher, die seinem Ruf folgten. Johannes Paul II. ist wie ein Leuchtturm in unserer wirren Welt - gebaut auf dem Felsen Petri, um allen Menschen den sicheren Weg zur ewigen Herrlichkeit mit dem auferstandenen Herrn zu weisen. Selbst in seinen letzten schweren Stunden, in denen er – wie schon in den letzten beiden Wochen – nicht mehr sprechen konnte, zeigte dieser Papst uns durch sein Beispiel den Sinn des Leidens. Jesus Christus hat für uns gelitten, er ist nicht vom Kreuz herabgestiegen. Durch das Leiden und den Tod gelangte er zur ewigen Herrlichkeit.

So dürfen wir uns mit den Menschen auf der ganzen Erde im Gebet für unseren verstorbenen Heiligen Vater vereinen. Besonders wollen wir auch in dieser Heiligen Messe seiner gedenken.

Jesus ist das Lamm, das für uns geschlachtet wurde. Jesus hat aber durch sein Sterben und Auferstehen den Tod für immer besiegt. Jesus selbst stirbt nicht mehr, sondern lebt in Ewigkeit. Mit dieser inneren Freude dürfen wir heute die hl. Messe feiern und ihn in der hl. Kommunion empfangen. Dies ist der große Augenblick, in dem wir Jesus berühren, ja in uns aufnehmen dürfen. Jesus kommt in unser Herz. Ein größerer Erweis seiner Barmherzigkeit und Liebe ist nicht vorstellbar. Seien wir daher nicht ungläubig, sondern gläubig. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024