10. Sonntag im Jahreskreis A 2002
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Die katholische Predigtsammlung von Pfarrer Poschenrieder
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10. Sonntag im Jahreskreis 2002 A

Messtexte | Word-Dokument

»Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!«

Im Wort Barmherzigkeit steckt das Wort Herz. Jesus hat ein Herz für die Sünder und Zöllner. Er scheut sich nicht, in deren Haus zu gehen und mit ihnen zu essen. Obwohl er weiß, dass die Pharisäer ihn kritisieren, ruft er sogar den Zöllner Matthäus in seine Nachfolge. Jesu Barmherzigkeit macht bei den Sündern nicht halt. Sein Herz schlägt auch für diese Leute.

Der Monat Juni ist der Herz-Jesu-Monat. In diesen Tagen wollen wir das Herz Jesu in besonderer Weise verehren.

Manche aber fragen: Ist die Herz-Jesu-Verehrung heute noch aktuell? Ist nicht zuviel Gefühl, Sentimentalität und süßlicher Kitsch dabei? Vielleicht bei manchen Liedern und bei manchen Bildern. Wer aber die Herz Jesu- Verehrung ablehnt, der wird hart und unbarmherzig.

So mancher »moderne« Mensch, der immer alles besser weiß und macht, wirft der Kirche und ihren Vertretern, die sich in stürmischen Zeiten noch an der unverrückbaren Lehre des Glaubens orientieren und dem Heiligen Vater die Treue halten, Hartherzigkeit vor, wenn sie die Gebote Gottes verkünden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Leute, die das Herz Jesu über Bord geworfen haben, haben ihr Herz ebenso über die Reling des Schiffes der Kirche geworfen. Ihre Predigten von Liebe und Barmherzigkeit sind damit leere und im Leben nicht verankerte Formeln.

Liebe Brüder und Schwestern! Wir brauchen das Herz Jesu! Ein Jesus ohne Herz wäre herzlos! Die neuzeitliche Herz-Jesu-Verehrung, die mit der heiligen Maria Margareta Alacoque eng verbunden ist, ist eine Antwort auf die Aufklärung. Die Aufklärung betont ausschließlich den menschlichen Verstand. Aber wir wissen, wohin wir kommen, wenn beim Verstand das Herz fehlt. Zum Hirn gehört untrennbar das Herz, sonst sind wir der Teil einer eiskalten Welt.

Die Herz Jesu-Verehrung lenkt unsere Gedanken hin auf ein Herz, das von Liebe erfüllt ist. Das Herz unseres Erlösers verströmt sein Blut aus Liebe zu uns Menschen. Die Verehrung des heiligsten Herzens Jesu findet seinen Ursprung schon bei der Öffnung der Seite Jesu am Kreuz. Mit einer Lanze durchsticht ein Soldat die Seite Jesu und Blut und Wasser fließt heraus.

Die Kirche spricht in diesem Zusammenhang von den Sakramenten, besonders von den Sakramenten Taufe und Eucharistie. Im Wasser erblickten die Kirchenväter einen Hinweis auf die Taufe und im Blut, das aus seinem Herzen fließt, erkannten sie das höchste aller Sakramente, die heiligste Eucharistie. Aus diesen Sakramenten aber entstand die Kirche.

Unter dem Kreuz steht der Apostel Johannes. Er ist der Evangelist des Herzens Jesu, denn er lag auch beim letzten Abendmahl an der Brust des Herrn. Er war aufmerksamer Beobachter, als die Seite Jesu mit der Lanze durchbohrt wurde.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine Geschichte erzählen:

Am Tag der Schöpfung schuf Gott das Rotkehlchen mit grauen Federn ganz so wie den Sperling und gab ihm seinen Namen. Als das Vöglein sich über ihr langweiliges Federkleid beschwerte, gab ihm Gott zur Antwort: »Du musst selbst zusehen, wie du dir deinen Namen verdienst, du wirst schon Gelegenheit finden.«

Seitdem taten die Rotkehlchen alles, um ihr Ehrenkleid zu verdienen, aber nichts wollte helfen, weder ihre Liebe zueinander, noch Sangeskunst, noch Kampfesmut gegen andere. Da kam der Tag von Golgotha. Eines aus der Sippe der Rotkehlchen sah den Gekreuzigten hängen; von innigem Mitleid gerührt, flog es auf ihn zu und versuchte, wenigstens einen der spitzen Dornen aus des Heilands Stirne zu ziehen. Sieh, da fiel ein Tröpflein seines Blutes auf des Vögleins Brust und färbte sie rot. Und seitdem vererbte sich Gefieder und Name zu Recht: die Tat selbstvergessenen Erbarmens hatte es verdient.

Das Mitleid, das Herz dieses Rotkehlchens wurde belohnt. Gottes Barmherzigkeit ist aber noch tausendmal größer. Diese Liebestat ist nur ein Abglanz von der unermesslichen Liebe Gottes. Mit dieser Geschichte möchte ich die unendliche Barmherzigkeit Gottes verdeutlichen.

Das Herz ist der Sitz der Liebe. Jesus vergießt sein Blut für uns. Diese Quelle ist unerschöpflich. Dieses Blut ist für uns das Leben. Es wird bei jeder heiligen Messe erneut vergossen. Diese Liebestat Jesu wird gegenwärtig gesetzt auf unblutige Weise im eucharistischen Opfer und es fließen die Gnaden in unausschöpflicher Weise.

Ein Heiliger sagte einmal: Könnte ich die Quelle des Herzens Jesu austrinken, ich hätte es schon getan. Das Blut hört nie auf zu fließen.

Was will uns die Öffnung des Herzens Jesu sagen? »Seht meine Liebe, mein Herz gehört euch noch über den Tod hinaus! Das letzte Tröpflein Blut in meinen Adern, in meinem Herzen, es soll euch gehören und von der Liebe künden, die dieses mein Herz zu euch trug.« Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024