2. Fastensonntag A 2002
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Die katholische Predigtsammlung von Pfarrer Poschenrieder
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2. Fastensonntag 2002 A

Messtexte | Word-Dokument

»Wenn ich beten will, gehe ich in den Wald oder in die Natur oder in die Berge. Da spüre ich Gott. Zum Beten brauch ich die Kirche nicht.« So mancher rechtfertigt mit dieser Ausrede sein schlechtes Gewissen, weil er den Sonntagsgottesdienst nicht besucht. Wir wissen aber, dass die Zeit, die der Vertreter dieser Meinung zum Beten verwendet, nicht gerade beeindruckend lang ist. Außerdem bleibt es bei manchen Menschen nur bei einer Wunschvorstellung. Denn: Wer wandert wirklich in die Natur hinaus, um zu beten?

Wir Christen dürfen freilich zugeben, dass die Schöpfung wirklich eine gewaltige Faszination auf uns Menschen ausübt. Wir spüren ganz deutlich: In der Natur begegnet uns Gott. Gerade Berge regen uns zum Nachdenken an. Warum zieht es manche Leute immer wieder in die Berge?

Der Berg ist schon in der Heiligen Schrift immer ein Ort, an dem Gott den Menschen besonders nahe ist. Vom Gipfel eines Berges aus sehen wir noch viel deutlicher das Wunder der Schöpfung mit ihren Faszinationen. Die Stille hilft uns, mit Gott ins Gespräch zu kommen. Die Ruhe spornt uns zum Gebet an.

Der Berg spielt nicht nur im Alten Testament eine große Rolle – zum Beispiel bei Moses, der auf dem Berg Sinai die 10 Gebote geoffenbart bekam – sondern auch im Neuen Testament. Oftmals steigt Jesus auf einen Berg. Wir kennen die so genannte Bergpredigt: Jesus zieht auf einen Berg und verkündet dort die Seligpreisungen.

Wir wissen, dass Jesus gerade vor den wichtigsten Entscheidungen, die er getroffen hat, sich oft auf einen Berg zurückgezogen hat, um zu seinem Vater im Himmel zu beten. Hier rücken die Auswahl der 12 Apostel oder die Ölbergstunde am Gründonnerstag ins Blickfeld.

Gerade auf einem Berg erleben im heutigen Evangelium die engsten Freunde Jesu etwas ganz Außergewöhnliches. Sie sehen Jesus – inmitten von Elias und Moses – so schön, dass sie von diesem strahlenden Anblick verzückt sind.

Wir nennen dieses Ereignis auf dem Berg Tabor die Verklärung Christi. Die 3 Apostel, die Jesus begleiten dürfen, erleben eine so genannte Taborstunde. Taborstunden sind Stunden unendlichen Glücks. Es ist dies eine Zeit, in der man vor Freude ganz außer sich ist.

Wer von uns hat so etwas nicht schon erlebt? Oftmals sind dies ganz persönliche Erlebnisse, die nur den engsten Freunden mitgeteilt werden. Und nur der Gedanke daran erfreut erneut unser Herz, auch wenn das erhebende Gefühl von damals schon lange der Vergangenheit angehört.

Die Jünger – besonders Petrus – fühlen das Glück dieser Taborstunde so stark, dass sie diesen Augenblick für immer festhalten wollen. Dies drückt sich darin aus, dass Petrus Hütten bauen will. Aber so eine Taborstunde kann man nicht festhalten. Sie ist ein Vorgeschmack für den Himmel, aber eben – im Gegensatz zum Himmel – zeitlich begrenzt. Fühlen sich die 3 Jünger nicht schon wie im Himmel, als sie Jesus verklärt und in strahlend weißen Gewändern sehen? In diesem Augenblick leuchtet die Gottheit Christi erneut durch, die die Apostel immer wieder spürten, wenn Jesus in ihrer Mitte Wunder wirkte.

Was tut ein Berg des himmlischen Glanzes in der Fastenzeit, die uns an das Leiden Jesu erinnern soll? Warum durchbricht dieser Berg der Vorfreude heute die Thematik der Buße und desFastens? Das kann doch nur ein Irrtum sein!

Nein, Irrtum ist dieser Berg der Vorfreude sicher keiner. Letzte Woche hörten wir im Evangelium vom Berg der Versuchung. Vor uns erscheint schon in der Ferne der Ölberg mit dem Ringen Jesu, den Willen Gottes anzunehmen. Schließlich wird es auf dem Kalvarienberg enden, wo Jesus zur Sühne für unsere Sünden den Kreuzestod stirbt, um uns zu erlösen.

Warum also schauen wir heute auf den Berg Tabor, der uns Jesus in leuchtend, fast blendendem Licht zeigt? Die Antwort ist ganz einfach: Auch im Leid bleibt Jesus Gottes Sohn, dem sofort 10 Legionen Engel als Hilfe gesandt würden, wenn er es nur wollte. Er ist und bleibt der Herrscher und Lenker der Welt. Das Zeugnis des Vaters bleibt wahr, dessen Stimme bei der Taufe des Herrn aus der Wolke erschallte: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.

Auch wenn wir uns in der Fastenzeit befinden und uns durch Buße und Umkehr auf die Erlösung Jesu Christi vorbereiten, dürfen wir nie vergessen, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, sondern den Tod durch seine Auferstehung besiegt hat. Er ist eben Gott, der Macht über den Tod hat. Das wird uns am Beginn der österlichen Bußzeit in Erinnerung gerufen, wenn das Antlitz Jesu wie die Sonne leuchte und seine Kleider blendend weiß strahlen. Wir werden erinnert, dass das Leid begrenzt ist, die Freude aber einmal unendlich sein wird. Jesus hat dem Leiden einen Sinn gegeben, denn nach dem Leid kommt die ewige Freude. Heute aber erleben wir das Geheimnis der Taborstunde, wenn ein Strahl vom Himmel durch die Wolken des Leides dieser Welt auf die Erde blinzelt. Amen.


© Pfarrer Christian Poschenrieder 2024